Ein neues altes Gebäude
Einen alten Baum verpflanzt man nicht – ein altes Gebäude bisweilen schon. Schließlich ist die Versetzung oft die einzige Chance, es zu erhalten. Im Freilichtbereich des MuseumPasseier finden sich neun translozierte Gebäude. Das zehnte kam jetzt dazu.
Von Judith Schwarz
Das neue alte Objekt steht seit einigen Wochen im Museum: Es ist eine kleine Werkstatt, eine Paschglhitte oder – wie die ehemaligen Besitzer das Häuschen nennen – ein Werkl. Zuweilen fällt auch das Wort Miilele, obwohl der Holzbau außer dem Wasserrad nichts mit einer Mühle gemeinsam hat.
Ausgikopft und erbaut hat die 5m² kleine Hütte der Weger Gfrillner Franz unterhalb der Stroabmer-Säge im Grafeistal. Als jedoch in den 1950er Jahren eine Lawine dem Gebäude zu nahe kam, versetzte sie der Franz zum Soalerhof auf Kofl (Mörre). Vor 15 Jahren übertrug man das Gebäude dann zur Hofer-Säge in Quellenhof, wo sie noch von Luis und Alberich Weger für einige Arbeiten verwendet wurde. Als heuer die Erben Walter, Hubert und Erwin die Werkstatt samt Inhalt dem Museum schenkten und die Stiftung Südtiroler Sparkasse, die Gemeinden St. Leonhard und St. Martin sowie das Land Südtirol finanzielle Unterstützung zusicherten, trat die Hütte ihre dritte Reise an in das Freilichtmuseum am Sandhof.
Baulich könnten sich Architekten von Mehrzweckgebäuden viel von der Paschglhitte abschauen: So etwa den Ideenreichtum, um sich mit Fourtl (Know-How) Arbeiten zu erleichtern oder die optimale Platzausnutzung auf kleinstem Raum. Exakt 2,20 x 2,10 Meter im Grundriss misst der Bau und beherbergt eine Soalwinte (Seilwinde), zwei Schleifsteine, eine Puenderståmpfe (Knochenstampfe) und zu guter Letzt eine Draanpånk zum Drechseln, die auch zum Holzschneiden und Schmirggln verwendet werden kann.
Etliche Hebel dienen zum „Ein- und Ausschalten“, verschiedene unförmige Holz- oder Eisenteile zum Regulieren, Fixieren oder Ookuppln und ein scheinbar achtlos an die Wand gelehntes Vierkantholz ist die unentbehrliche Bremse: Nachdem man Luis Weger einige Zeit beim Erklären und Vorführen zugesehen und zugehört hat, ahnt man, dass alle „Maschinen“ über Drähte oder Wellbäume oder Riemen miteinander verbunden sind.
Und dass an alles gedacht wurde – falls der Riemen bricht, gibt es eine Feder de zuicht die Bremse unter den Wällpaam innin, wenn der Wasserdruck zu gering ist, wird die Öffnung der Diise verkleinert, wenn am Drechselholz Maß genommen werden muss, wird auf die Leerscheibe gelenkt und um die Håschpl abzustellen, wird die Oolenkschaufl angelassen.
Um den Museumsbesucher*innen diese „bäuerliche Ingenieurskunst“, die auch eines der Kernthemen in der Ausstellung „Miër Psairer“ ist, näher zu bringen, braucht es mehr als Beschriftungen. Daher soll das Wasserrad in Zukunft ab und zu in Schwung gesetzt und die verschiedenen Arbeiten in der originellen Werkstatt vorgeführt werden. Damit man sich davon überzeugen kann, dass die Passeirer immer schon Tüftler und Paschgler waren.
Mit dem Kran hochgehievt und nach 10 Minuten Fahrt im Museumsgelände abgesetzt. Noch nie ist die Versetzung eines historischen Gebäudes ins MuseumPasseier so schnell vonstattengegangen.