“Es grüßt dich dein Koat”

In einem Passeirer Haushalt findet sich über Jahrzehnte aufbewahrte Liebespost. © Alexa Pöhl/MuseumPasseier

Als sich die Bauerntochter B. und der Taglöhner S. köstliche Liebesbriefe schrieben.

 

Von Judith Schwarz

 
 

Sie war die Tochter eines angesehenen und strengen Bauers und Tischlers in Passeier. Er ein einfacher Taglöhner, der sich Zeit seines Lebens auf verschiedenen Höfen verdingte. Sie kannten sich flüchtig von Kindesbeinen an und irgendwann muss es gefunkt haben.

Ihre heimlichen Treffen im Viehstall flogen natürlich auf. Und gleichzeitig flogen wohl auch die Fetzen: Der bestimmende Vater, der sich um die Zukunft seiner Tochter sorgte. Die verliebte Tochter, der es egal war, ob der Auserwählte ihr ein Dach über dem Kopf würde bieten können. Und der nicht minder verliebte junge Mann, der wusste, dass er schon bald von seiner Liebsten getrennt sein sollte.

1936 hatte S. seinen Militärdienst anzutreten. Es verschlug ihn nach Mailand und bis er seine geliebte B. wiedersehen sollte, vergingen einige Monate. Wir wissen nicht, wann und wie ihr Briefeschreiben begonnen hat, aber es haben sich acht Briefe und Postkarten in fein säuberlicher Schrift erhalten. Der früheste datiert mit 2. Juni 1937, der späteste wurde am 19. Dezember 1937 geschrieben. Dazwischen liegen sechs Monate, in denen sich S. und B. wahrscheinlich nicht gesehen haben.

„An meinen Gelübten“, schreibt B., und auch über ihre intensiven Gefühle. Was war überhaupt sagbar in jener Zeit? Bzw. schreibbar?


U[nd] ich errinere mich so Sonntags
in der Kirche wenn ich herunter
schau auf deinen gewissen Platz.
Da brennt mir das Herz vor Sehnsucht.


Wie beschreibt man seine Sehnsucht? Einfacher, als darüber in ausführlichen Briefen zu schreiben, ist es, Bildpostkarten zu schicken. Und deren bunte Sehnsuchtsmotive sprechen zu lassen.

O die Sehnsucht
nach dir ach könnte ich nur eine
halbe Stunde bei dir sein.

Ich kann es gar nicht 
sagen noch schreiben
wie Lieb ich dich hab.

Die Liebe blüht wieder auf: Auf kolorierten Bildpostkarten versuchen sich zwei Passeirer Verliebte im schriftlichen Beziehungsdialog. © Alexa Pöhl/MuseumPasseier

Schreiben aus und über Liebe ist das Eine. Das Andere ist die Angst, beim heimlichen Briefeschreiben entdeckt zu werden. Und die Sorge, dass die Verbindung von der Familie nicht anerkannt wird. Später soll der Brautvater es aufgegeben haben, sich in die Männerwahl seiner Töchter einzumischen.

Liebster S., ich mus dir
noch etwas schreiben, der Vater
hat noch nie ein Wort gesagt
zu mir von dir aber sonst ist
er heuer fein er war nicht oft
so fein ich habe kein schlechtes
Wort gehört es ist nicht wie
voriges Jahr. bitte wenn du

einmal Zeit hast schreib ihn
einmal schauen ob er gar nichts
sagt.

B. zeichnete in ihrer Schlafkammer blaue Blumen für ihren Liebsten, heimlich und bei Kerzenschein: Ich setze so im stillen Kämerlein verlassen von dir. © MuseumPasseier

Köstlich sind die Schlussformeln der Liebeskorrespondenz. Dein Koat, schreibt B. einige Male an ihren S., als er beim Militärdienst weilt und sie sich daheim derlångwailt. Wobei Koat, laut Franz Lanthaler, eigentlich ein Schimpfwort ist und von einem lästigen Insekt bis zu einem großen Untier alles bezeichnen [kann], was als grauslich oder unansehnlich eingestuft wird.

Jetzt mus ich Schlafen
gehen es ist schon bald
zwölf Uhr, es grüst dich
dein Koat.

Nicht immer scheint die Liebeskorrespondenz als Brücke der Kommunikation funktioniert zu haben. Im letzten erhaltenen Brief klingt Besorgnis durch.

Habe noch keine Post
von dir bekommen als
zuletzt die Karte und
auf der hab ich dir
Antwort geschrieben weis
nicht hab ich dich
beleidigt oder was ist


Müssen wir uns Sorgen machen? Wird die Fernbeziehung halten, der Bräutigam heil zurückkommen, der Brautvater sein Einverständnis zur Heirat geben? Alle drei Fragen können wir bejahen: S. und B. werden einige Jahre nach dem Militärdienst heiraten, ein gutes Dutzend Kinder bekommen und im hohen Alter sterben. Ihre Liebesbriefe aber haben ihre Ehe überdauert.


Hast du auch Liebesbriefe deiner Vorfahr*innen? Briefe aus einer Zeit, bevor Textnachrichten, Audiokommentare oder Emojis verschickt wurden? Wir freuen uns, wenn du sie uns schickst oder uns davon erzählst.

Zurück
Zurück

Little Hofer

Weiter
Weiter

Guck, ein Nepomuk!