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Pflanzenwissen zum Mitwachsen

Drei Frauen erzählen über ihre Gärten.

Fotos: MuseumPasseier.

Drei Frauen erzählen über ihre Gärten.

Von MuseumPasseier


Katharina, Isabella und Filomena. Das Museum hat drei Passeirerinnen in ihren Gärten getroffen und mit ihnen über Gemüse, Getreide, Gewürze und Blumen gesprochen. Über ihre Samen und Pflanzen, die sie stolz in zweiter oder dritter Generation vermehren. Über Sämlinge und Ableger, die sie ergattert oder mit Freude verschenkt haben. Aber auch über Fischköpfe, Vierklee und Kapuzinerpater. Bunt gemischte Pflanzengespräche eben, von “sell håts ålbm khoaßn” bis “hoobmse ët gsågg”.

 
  • Ich bin die Leitner Kathi, komme von Ratschings und bin 1950 geboren. Und dann bin ich Passeier hergekommen und die Männer sind immer zum Holz(arbeiten) gegangen und dann habe ich gemusst mitgehen als Holzhäuserin, dann hat es zuerst für den Garten nicht viel abgegeben. Und dann, wenn die Kinder zur Schule gegangen sind, sind wir nicht mehr mit zum Holz und dann habe ich hier mit einem kleinen Gartele angefangen und der wurde dann immer etwas größer.

    Am Anfang bin manchmal zu Gartenschauen gegangen. Da hat mich das interessiert. Und dann habe ich mir schon auch Bücher gekauft, davon habe ich ein paar. Und dann habe ich viel selber ausprobiert. Weil alles, wie es in den Büchern steht, muss nicht immer genau stimmen, ist nicht immer genau. Man muss das selber probieren.

    Mich freut es einfach: Schon mal der Kontakt mit der Erde und die frische Luft, man sieht, wenn man es säht, wie es wächst, wie es keimt, und dann kann man es alles miterleben, bis die Früchte sind zum Ernten. Das ist nicht selbstverständlich. Da wächst man eigentlich damit mit.

    Und dann wird halt über den Garten geredet, wie tust du da und wie täte man dort, wie tun sie und wie tu ich? Dann sag ich halt meine Gartengeheimnisse hinaus und sie sagen ihre. Manchmal ist es eine etwas lange Unterhaltung, dafür ist dann halt im Garten weniger. So ein Gartenstelldichein ist unten fast manchmal. Und dann tausche ich mich mit meinen Schwestern aus und ich habe eine Mords Freude, wenn wir uns die Bilder hin- und herschicken.

    Und auch wenn Läuse sind, was man tun könnte oder sonst Ungeziefer. Und Ameisen sind auch im Garten, da kann man sich auch selber helfen. Muss man einen toten Fisch, einen Fischkopf, einwühlen, wo sie sind, dann gehen die Ameisen. Und gegen die Wühlmäuse tu ich die Kaiserkrone pflanzen. Ja, abwehren kann man alles, wenn man fleißig ist. Oder sonst mit Brennnesselwasser kann man ganz viel tun. Und düngen tu ich auch alles nur zuerst mit Mist, und später halt mit Brennnesseljauche.

    Wo ich das Frühbett mach, ganz unten, tu ich noch zwei, drei Zeilen Frühkohl hinein und Blumenkohl. Manchmal gehen sie alle auf, und manchmal gehen nicht alle auf. Die verschenk ich dann, weil da gehen immer Nachbarn vorbei und ich schrei, „Mögt ihr ein Pflänzchen?“ oder sie fragen „Hast du eines übriges?“. Ja, ja, und dann kriegen sie ein Pflänzchen, das ich nicht brauch. So wie Salat, den tu ich auch selbst säen, dann habe ich immer herum zu pflanzen.

    Die Tomaten, die hab ich am Längsten. Und die Stangenbohnen auch. Die habe ich noch von meiner Schwiegermutter, der Untereggerin, und die hat sie noch von ihrer Mama. Sie sagt, die sind immer am Hof gewesen und sie hat sie weitergepflanzt.

    Garten, Garten, das ist einfach mein Hobby. Wenn ich spazieren gehe, ich schaue in jeden Garten hinein. Einige werden sich schon gedenken, was wundert denn die mein Garten, aber das ist mir doch egal! Schauen darf man ja!

    Und wenn grad eine Pflanze ist oder etwas was ich noch nicht hab, und es hängt so schön der Samen runter, dann komme ich schon manches Mal in Versuchung, und tu es manchmal, dass ich mir so einen Sämling mitreiße. Ja, es heißt immer, wenn man es stehlt, dann wächst es leichter.

  • Ich bin die Gufler Isabella und wohne auf dem Grollhof auf Matatz (in St. Martin in Passeier).

    Was sie hier gehabt haben, war immer: Zwiebel, einen Schnittlauch, die Karotten, die Rote Beete, die Bohnen, die langen, weil die haben sie immer in die Bohnensuppe oder halt Kastaniensuppe hinein gegeben, und dann Runkelrüben und Kohl und Kartoffeln. Und so das normal, aber das außergewöhnliche Zeug haben wir alle keines gesehen.

    Und wenn man an einen fremden Ort gekommen ist, wo wir gearbeitet haben, weiß ich noch, in Latsch oben, sind wir bei der Hebamme gewesen, da bei der „Felsenegger Liese“, jetzt hat sie uns hinüber gehen gemacht, einen Spinat zu holen. Wir nie gehört, Spinat! Nie gewusst, was das ist. Dann haben wir Angst gehabt, hoffentlich bringen wir ihr nicht das falsche Zeug vom Garten her. Gut, Gurken haben wir auch schon gehabt daheim unten, aber irgendwann dann, wie Auberginen und Kürbis, dieses Zeug hat es hier herinnen alles nicht gegeben, ist alles erst irgendwann hergekommen.

    Und die Mama hat auch so eine Freude gehabt mit den Blumen, sie hat Dahlien hineingetan, dann hat sie die Bauernhortensien gehabt, Kamillen, Ringelblumen, die haben sie die Totenblumen geheißen, weil sie haben so lange geblüht und früher haben die Leute sich nicht in den Gärtnereien Blumen kaufen können, auf Allerheiligen auf die Gräber zu geben.

    Meine Mutter hat erzählt – sie ist beim Graber auf dem Flonerberg aufgewachen – sie sind, wenn sie gewusst haben, dass irgendwo ein Balkon voller schöner Nelken ist, dann sind sie zu Fuß von Flonerberg zu oberst Prantach hinauf, um solche Setzlinge. Und haben die verschiedenen Farben herunter, damit sie daheim halt auch einen Austausch gehabt haben. So haben sie sich einander halt ein wenig ausgeholfen und eine Freude gemacht.

    Und diese gutschmeckenden Nelken, die kriegst du auch nicht mehr alle, mal bei uns hier nicht, die roten noch, die sieht man, ich hab auch noch einen großen Stock drüben, so einen Herunterhängenden, aber gelbe, braune, scheckige, die siehst du nicht mehr. Da haben sie erzählt, da haben sie in Pfelders drinnen, wenn die Männer mit den Sensen hineingegangen sind, sie von den Balkonen heruntergemäht und auf dem Hut aufgesteckt.

    Dann an Gewürzen haben sie Weinkraut, das ist immer aufgegangen, Petersilie, Sellerie haben sie gehabt, Schnittlauch… Und dazu hat es geheißen, wenn der (Schnittlauch)Stock richtig schön ist und gut getan hat, da ist eine zornige Bäuerin.

    Die Samen, was ich hier hab, die sammle ich selber alle zusammen. Ich verschenke auch ganz viel, ich tu gerne jemandem eine Freude machen. Und ich habe im Garten jetzt erst die Zwiebeln drinnen, die habe ich am Karfreitag hinein getan. Ich lasse mir Zeit, ich mache alles erst im Mai. Und es wächst da geschwinder, man sieht es da vorwärts wachsen. Vor lauter Freude, wenn die ersten warmen Sonnenstahlen kommen, und du willst schon setzen und säen, aber das zeigt es dir schon, dass der Boden zu kalt ist, dass du musst den Boden mal erst warm werden lassen. „Pflanzt du mich im Mai, komm ich gleich“, hat es immer geheißen, „pflanzt du mich im April, komm ich, wenn ich will“. Nur nicht gleich aufgeben, wenn mal etwas nicht geht. Und auch wenn es dich mal narrt, es geht das nächste Mal schon besser. Immer geht es halt nicht geradeaus!

  • Prugger Filomena, so schreibt man es halt, und sonst sagt man Mena. Geboren 1941.

    Auf Platt drüben schon, da haben sie daheim ein kleines Kichlein, da hab ich damals schon immer müssen Vergissmeinnicht klauben oder sonst schöne Blumen und das hab ich halt auch gern getan. Das weiß ich nicht, ist das schon der Anlass gewesen?

    Und als ich 10 Jahre alt gewesen bin, im Frühling hab ich die Masern gehabt. Und als ich aufstehen durfte, habe ich am ersten Tag schon zehn Vierklee gefunden! „Heuer werde ich sie zählen!“, und dann habe ich 302 Vierklee gefunden und 55 Fünfklee, sechs Sechsklee und einen Siebenklee auch noch: In einem Jahr! Und mir kommt vor, früher sind mehr Vierklee gewesen, heute musst du schon gut schauen!

    Als ich dann Auf-der-Eggen hinauf bin, als ich geheiratet habe – ich bin zuerst vier Jahre lang Magd in Stuls gewesen – die Blümchen haben mir da auch gefallen, aber ich habe keinen Steckling und nichts gehabt, und oben dann hat sich das halt so ergeben.

    Ich bin beispielsweise mal mit einer Freundin nach Österreich zur Wallfahrt irgendwo hinauf, Maria Brettfall (Zillertal) heißt es, und als wir danach halt dort ins Gasthaus gegangen sind, habe ich da einen schönen Blumenstock gesehen und betrachtet. Und dann hab ich die Kellnerin gefragt, ob sie mir halt ein Steckling gäbe. Meine Freundin hat sich fast geärgert, „Wie kannst du nur, auf einem fremden Ort!“, ich hab gesagt, „das ist mir egal, wenn sie mir gerne eines gibt, freuts mich, und sonst bin ich nicht beleidigt“.

    Und ich hab es immer noch, also nicht das gleiche, aber die Ableger. Und nach ein paar Jahren hat es sogar geblüht! Nein, da habe ich eine Freude gehabt, denn in Österreich draußen hat es nicht geblüht. Und dann pelze ich halt immer wieder mal ein Blättchen, und ich wär froh, wenn es mehrere machen würden, damit sie weiter bestehen könnten.

    Aber es ist allgemein so gewesen: Um ein Büschlein, einen Steckling betteln, das hat man oft gemacht. Oder man ist zu den Kapuzinern hinaus (nach Meran), am 2. Freitag im Mai, da geht man mit dem Kreuz bis in die Spitalkirche, aber dabei sind sie auch zu den Kapuzinern hinaus, Pflanzen zu holen.

    Ja, die Kapuziner haben viel gehabt, das ist wirklich sprichwörtlich gewesen: Bei den Kapuzinern Pflänzchen holen. Aber wenn die Kapuziner im Herbst gekommen sind, um Butter und Eier betteln, dann haben sie halt auch gemusst sich ein bisschen erkenntlich zeigen.


Die Interviews entstanden für den ersten Pflanzentauschmarkt im MuseumPasseier am Internationalen Museumstag, den 21. Mai 2023.

Interviews, Ton, Schnitt:
Christl Alber, Magdalena Haller, Judith Schwarz

 
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Schreist du mit?

Ein eigenwilliger Startruf, mitten im Lockdown.

Mitten im Lockdown geht das MuseumPasseier an die Öffentlichtkeit.
Mit dem eigenwilligen Startruf GARGOOO für das gleichnamige Projekt.

Von MuseumPasseier

 

Für das Jahr 2021 rief die Europaregion ein Museumsjahr zum Thema „Transport–Transit–Mobilität“ aus, bei dem innovative und interdisziplinäre Initiativen gefördert werden sollen. Das MuseumPasseier ist mit dem Projekt „GARGOOO! Åbout Dialekt“ dabei.  

GARGOOO! bedeutet „Die Bahn ist frei“, „Lass die Sache wieder rollen“ oder auch „LOOOS!“. Passeirer Holztreiber brüllten das Wort von Posten zu Posten, wenn sie gefällte Baumstämme bergabwärts schickten. Mittlerweile sind Holztreiber und ihr Startruf aus dem Alltag verschwunden.

Warum das Wort nicht wiederbeleben? Beispielsweise um nach Winterpausen und Lockdowns von Museum zu Museum zu rufen: GARGOOO, wir sind wieder da! Und um das GoLive der neuen Website hinauszuposaunen, die das Dialektprojekt des MuseumPasseier durch das Themenjahr 2021 begleiten wird. 

Heute, am Internationalen Tag der Muttersprache, ist der verklungene Starturf erstmals wieder zu hören. Und damit kein vergangenes Wort mehr.

Mehr zum Wort GARGOOO
Mehr zum Projekttitel GARGOOO

Konzept: Albert Pinggera, Josef Rohrer, Judith Schwarz
Design: design.buero  
Web: Kreatif GmbH
Ton: Tonstube
Projektpartner: Ötztaler Museen
GARGOOO-Website: gargooo.museum.passeier.it

Gefördert von der Europaregion Tirol–Südtirol–Trentino und den Bildungsausschüssen St. Leonhard und St. Martin in Passeier.

 
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GARGOOO meldet sich zu Wort

Wie ein vergangenes Wort neu aufgeht.

Wie das vergangene Wort GARGOOO Titel unseres Dialektprojekts wurde.

Von Judith Schwarz

Der Gedanke, sich als Museum mit immateriellem Kulturgut wie Dialekt zu beschäftigen, reizt uns schon lange. Ebenso die Herausforderung, etwas auszustellen, was sich nicht ausstellen lässt. Was sich gegen das Ausstellen sperrt.

Allerdings ist Sprache halt ein endlos weites Feld. Schließlich ist sie überall – gleichzeitig ist sie auch nur ein flüchtiger Moment. Wir wussten in der Vergangenheit nicht „Womit fangen wir an?“ und in Folge kam es auch nicht zur Frage „Wann fangen wir an?“. Dann schrieb die Euregio das Museumsjahr 2021 aus. Der Schwerpunkt: Transport/Transit/Mobilität. Spontan fiel uns ein: Sprache ist ein Transportmittel. Sprache ist mobil und verändert sich. Wörter wandern ein und wandern aus. Sprachveränderung passiert (auch) durch Mobilität. Menschen übersetzen Sprachen, transferieren sie, switchen. Und natürlich sind da auch die Begriffe und Redewendungen, die Transport/Transit/Mobilität selbst zum Thema haben oder bezeichnen.

Welch schöne Herausforderung: Beweisen, dass der Dialekt, der sich von den klassischen Mobilitätsthemen abhebt, sehr gut zum Mobilitätsthema passt. Und abgesehen davon: Endlich war, dank der vorgegebenen Themen, dieses weite Feld Dialekt etwas eingegrenzt. Vor allem aber: Wir hatten endlich einen Startschuss. Wir mussten endlich beginnen, unsere Ideen niederzuschreiben, denn der 31. Jänner 2020 war Einreichschluss für die Museumsjahr-Projekte.

Dann fiel uns ein Wort in die Hände. Just in dieser Zeit, als wir auf die Startgenehmigung aus Bozen warteten, fanden wir eine Notiz zum Rufsignal „Gargo“ in einem Aufsatz über Waldarbeit von 1987. Der Autor Sepp Haller beschreibt es folgendermaßen:

Es ergibt sich oft die Notwendigkeit, den Holztransport für kurze Zeit einzustellen. Es geschieht dies durch den Zuruf von Posten zu Posten. In Passeier gibt es dafür eigene kurze Wörter. Das Rufsignal „Hebau“ bedeutet Stopp, kein Holz nachschicken. Der Angesprochene bestätigt es mit dem Ruf „Tschey“. Ist die Bahn wieder frei, dann schreit der untere zum oberen Posten hinauf „Gargo“. (…)
Bemerkenswert ist, dass keiner der von mir befragten erfahrenen Holzer über die Herkunft bzw. Ableitung dieser drei simplen Wörter nähere Angaben machen könnte. An und für sich handelt es sich um nicht sinntragende Wörter, die sich allerdings durch Jahrhunderte zu diesem Zweck im Tale behauptet haben; vermutlich aufgrund dessen, weil sich ihr Auslaut sehr langgezogen rufen lässt.

Was steckt in diesem Gargo? Möglicherweise lat. carrus (Wagen) oder ital. carico bzw. engl. cargo (Fracht, Ladung). Das alles, inklusive Holztransport-Background, passte wunderbar zum Themenjahr Transport/Transit/Mobilität. Und dass gargo auf italienisch mit schlau/schelmisch/spitzbübisch übersetzt werden kann, taugte uns ebenso: Schließlich hatten wir die Ambition, das Thema Dialekt mit Humor anzugehen. Der erste Lausbubenstreich folgte auch zugleich. Ein Blick ins Passeirer Wörterbuch von Franz Lanthaler und Harald Haller zeigte, dass Gargo dort als Gargoo gelistet ist. Wohl um zu betonen, dass die Betonung auf dem O liegt. Grafiker Albert Pinggera machte daraus GARGOOO! Nun war aus Gargo wahrlich ein Schrei geworden.

Sollten wir dieses längst verklungene Wort wieder in Umlauf bringen? Was würden sich die Leute denken und fragen?
Ist GARGOOO …
… schargoo oder gärguu?
… historisch oder modern?
… echt oder erfunden?
… tiefgründig oder sinnlos?
… Kindersprache? Psairisch? Englisch?
… ein Ort oder ein Gegenstand oder ein Zustand?

GARGOOO kann alles sein.
Wir fragten uns auch:
Ist GARGOOO …
… unübersetzbar?
Wie haben die Autoren des Passeirer Wörterbuchs die Bedeutung für das Wort GARGOOO herausgefunden oder/und festgelegt? Für den einen Holzer ist GARGOOO mehr die Entwarnung „Alles ok, wir haben den Fehler behoben“, für den anderen ist es mehr die Anweisung zum Weiterarbeiten „Lass los!“ oder auch „Stoß an!“. Was passiert in dieser Zwischen-Welt der Worte, die Übersetzer*innen betreten?

… tot?
Wer benutzt das Wort noch? Im Wörterbuch wurde es dokumentiert, an der Nichtmehr-Nutzung ändert das nichts. Außer das Museum „stellt das Wort aufs Podest“ (und straft damit den vorherigen Satz Lügen). Was passiert dann?

… heimatlos?
Oft soll mit Dialekt ein Produkt, eine Veranstaltung, ein Gebäude ecc. in den Kontext von Idylle, Tradition, Natur und Heimat gerückt werden. Funktionierte das auch bei einem Dialektwort wie GARGOOO, das „niemand“ kennt und nicht „psairerisch“ aussieht?

… ungehört?
Wie hört(e) sich der laute Ruf GARGOOO an? Wie passen Name und Ton zusammen? Der Autor Sepp Haller hat das Wort 1987 niedergeschrieben, als er es noch aus dem Mund der Holzer hörte. Ist ein gesprochenes GARGOOO von einem Holzarbeiter, der es in seinem Arbeitsleben verwendete, authentischer, als ein GARGOOO von jemandem, der es vorher noch nie benutzte?

… fremd?
Dieses fremde Wort, das sich nicht fassen ließ, gefiel uns ungemein. Wir wollten es benutzen (und sei es nur als „Startsignal“ um den PC-Bildschirm zu entsperren). Mit der Zeit wurde GARGOOO für uns dann zu einem neuen Begriff. Einem Wort, das wir mit Gefühlen und Erwartungen beladen/befrachtet haben, so dass es uns nun schwer fällt, bei GARGOOO an Holzarbeit zu denken. Uns ist die ursprüngliche Bedeutung fremd geworden, so wie einem Holzer unsere Deutung von GARGOOO fremd scheinen muss.

… männlich?
Kannten Frauen den Begriff überhaupt? Möglich. Haben sie ihn benutzt oder sogar geschrien, wie die Männer bei der Waldarbeit? Unwahrscheinlich. Ein schöner Gedanke, dass GARGOOO erstmals auch von Frauen und außerhalb der Passeirer Wälder in den Mund genommen werden würde.

… festgeschrieben?
Was spricht dagegen, GARGOOO auch in Bereichen außerhalb der Holzarbeit zu verwenden? Mit GARGOOO weckt die Mutter das Kind, das morgens verschlafen hat. Mit GARGOOO ruft der Verkäufer an der Fleischtheke die Person mit der nächsten Nummer auf. Mit GARGOOO jagt die Bäuerin die Kühe auf die Weide. Mit GARGOOO verkündet der Landeshauptmann das Ende des Lockdowns. Mit GARGOOO öffnet das Museum wieder seine Türen.  

Dann kam die Antwort aus Bozen. Die Geldmittel für die Museumsjahr-Projekte reichten nur für vier Projekte, schrieb man uns im Mai. Unser Dialektprojekt lag auf Platz 5. Es war klar: Wir hatten ein Hebau erhalten! Wir mussten warten: Ist die Bahn wieder frei, dann schreit der untere zum oberen Posten hinauf „Gargo“. Bis Juli blieb es still. Sollten wir mit unserem Dialektthema beim Euregio-Museumsjahr wirklich auf dem Holzweg sein? Dann begannen die Verhandlungen um den Nachtragshaushalt des Landes – und im August meldete der untere Posten endlich das ersehnte GARGOOO! Unser Dialektprojekt konnte wieder Fahrt aufnehmen, wie losgelassene Holzstämme im Wald.

Damit war klar: GARGOOO wird Titel und Startruf unseres Projekts. Und wer weiß? Vielleicht wird das vergangene Wort GARGOOO auch außerhalb des Dialektprojekts neu aufgehen: GARGOOO GARGOOO!

 
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Zoderers Geschenk

Josef Zoderers Geschenk an das MuseumPasseier

Josef Zoderer: Einen schwarzen Hut auf dem Kopf – und einen verschenkt. Foto: MuseumPasseier

Der Schriftsteller Josef Zoderer feierte kürzlich seinen 80. Nun schenkt er uns etwas.

 

Von Albin Pixner

 
 

Ein mittelgroßer Mann mit schwarzem Hut öffnet die Eingangstür zur ehemaligen Direktorenvilla der Lodenmanufaktur Moessmer in Bruneck. Er wirkt freundlich, einladend, nicht so unnahbar-distanziert, wie ihn die Zeitungen und Zeitschriften zeigen, die sich in den letzten Wochen anlässlich seines 80. Geburtstages in zahlreichen belobigenden und kritischen Artikeln mit ihm und mit seinen Werken auseinander gesetzt haben. Mit ihm, dem wohl bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller aus Südtirol, Joseph Zoderer.

Bereitwillig-höflich und mit einem gewissen Stolz auf das Erreichte zeigt er die fünf Zimmer. Fünf Räume, in denen der Blick schnell auf die Wände gelenkt wird, die voll beklebt sind mit den ausgedruckten Blättern seiner wichtigsten geplanten Romane. Zoderer selbst schreibt ja alles noch mit einer Füllfeder und eine Studentin überträgt seine nicht unbedingt leicht lesbaren literarischen Ergüsse auf den Computer.

„Die Ideen fließen so leichter von der Hand“, behauptet der Autor und erst aus dem Wirrwar von Texten an der Wand wird die endgültige Fassung seiner Werke zusammenmontiert. Joseph Zoderer hat auf eine Anfrage des MuseumPasseier, das ja bekanntlich in seiner Dauerausstellung „Helden & Wir“ persönliche Objekte von zeitgenössischen Vorbildern sammelt, einige Gegenstände zur Verfügung gestellt: Sein Erkennungszeichen, einen schwarzen Hut, eine Füllfeder mit der er 28 Jahre lang seine wichtigsten Werke zu Papier gebracht hat samt dazugehöriges Tintenfässchen und ein handgeschriebenes kritisches Gedicht zu Andreas Hofer aus seinem einzigen Dialekt-Gedichtband „S`Maul auf der Erd“.

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Goaßerstolz & Huarnfiich

6.000 Ziegen und 9.000 Menschen leben im Passeier. Nun kriegen die eigensinnigen Tiere eine Sonderausstellung.

Ziegen gehören zum Passeier wie Andreas Hofer, Speck und Schildhöfe. Knapp 6.000 Gebirgsziegen leben hier – gemeinsam mit 9.000 Menschen. Und das in Zeiten, in denen niemand mehr eine Goaß braucht und die Ziegenhaltung keinen Gewinn bringt.

 

Text: Judith Schwarz
Zeichnungen: Albert Mair

 
 

Irgendetwas scheinen die Goaßer, die Goaßer sein wollen, von ihren Vätern und Großvätern, die es sein mussten, geerbt zu haben. Es ist nicht der wirtschaftliche Zwang, die "Kuh des armen Mannes" zu halten, sondern die Leidenschaft für dieses Huarnfiich. Eine Sonderausstellung des MuseumPasseier versuchte 2011, diese unerklärliche Begeisterung zu erklären.

Wir starten mit Almidylle und Hirtenromantik.
Furmente, Tånderpuschn und Tschurschlin-Stallile (Murmeltier, Alpenrose und ein von Kindern gebauter „Stall“ mit Tieren aus Baumzapfen) sind Klischees einer idealen Almwelt. Ihr Anblick verzückt Tourist*innen und Einheimische. Erinnerungen an „Sommerfrische“, Wanderurlaub und die gute alte Zeit lassen im Kopf eine Gegenwelt zur Alltagshektik entstehen. Am Liebsten möchte man auch Hirte sein inmitten einer herrlichen Alpenlandschaft und friedlich grasenden Ziegen – und den ganzen Tag auf einem Grashalm kauen.

Viele Erwachsene erzählen heute stolz vom Gefühl der Verantwortung und des Erwachsenseins, wenn sie als Sechsjährige alleine Ziegen hüten mussten.
Ein Gefühl, das vielen Kindern heute fehlt – der Stolz auf die Pflicht. Es ist eine einfache Welt, und dennoch (oder deswegen) ist sie Luxus. Ganz besonders die Welt der Goaßer: Gerade, weil man Ziegen nicht mehr braucht, weil sie keinen finanziellen Gewinn bringen, weil sie einfach nur schön sein sollen und weil sie wertvolle Zeit kosten, die heute angeblich niemand mehr hat. Die in Ruhe genossene Pfeife, das Fernrohr, mit dem stundenlang beobachtet wird, die geduldige Schnitzarbeit aus Steckhölzchen, in der Zeit versteckt ist. Sie stehen für die Kunst, die Hirten beherrschen und viele Manager vergeblich zu lernen versuchen: Die Kunst des in sich Hineinhörens und Genießens. Das Hirtentum ist ein Überbleibsel einer der ältesten Kulturformen und verkörpert eine eigene Lebenshaltung und Weltanschauung.

Hirten waren angesehen als Viehdoktoren, Pflanzenkenner, Wetterfrösche, Handwerker und mitunter Erfinder.
Viele waren über das Tal hinaus bekannt, aber selten gaben sie ihr Wissen schriftlich weiter. Aber alles hat eine Kehrseite. So wurden Hirten im Laufe der Zeit auch als ungepflegte Nichtstuer, sonderbare Einsiedler, unstete Gauner und einfältige Sonderlinge gesehen. Genauso war das Leben als Hütbub kein Honiglecken. Oft waren die Kinder sich selbst und dem Drwailång (Heimweh) überlassen. Der Goaßer-Alltag sieht auch anders aus als romantisch: Im Winter täglich die eintönige Stallarbeit mit Dreck und Gestank. Auf der Alm unterbrechen Unwetter und verschwundene Tiere die Routine. Mühsame Wege bei jedem Wetter und oft gefährliche Situationen. Karge Kost im Mittoogkandele, raue Arbeitskleidung aus Lodenstoff, Sorgen um die Existenz und den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert: Das gehört genauso zum Hirtendasein.

Auch um den Tod der Ziegen kommt der Goaßer nicht umhin: Totgeborene Kitze im Frühling, erfrorene oder unter Lawinen begrabene Ziegen im Winter, Abstürze und Schlachtungen.
Zum Thema Schlachtungen wird in der Ausstellung ein historischer Exkurs zum Handwerk des Struuzers aufgetan: Die Passeirer waren als Struuzer (Wandermetzger) bekannt. Sie handelten weithin mit Vieh und schlachteten es bei den Fleischmärkten in Meran und anderswo. Für die Struuzer war es ein guter Verdienst, für die Stadt Meran brachten die Fleischmärkte Gewinn, aber auch Beschwerden: Feuersgefahr, Schmutz, Gesundheitsgefährdung, Tierquälerei, Sittenverwilderung und lahmgelegte Geschäfte der Stadtmetzger. „Es ist eine schauderhafte Metzelei in der Stadt Meran, die im ganzen Kaiserstaate sonst gewiss nirgends vorkommt“, schreibt ein Zeitzeuge.

Während bei gefährlichen Ziegenkrankheiten heute der Tierarzt zur Stelle ist, hieß es für den Goaßer früher „Learning by doing“.
Behandlungen wie der Aderlass mit Fliëdn (Messer) und der Pansenstich mit dem Trokar (Eisenspitz) erfordern Fourtl und Schnaide (Know-how und Courage), da sie tödlich für die Tiere ausgehen können. Auf Abwehrzauber und alte Opferbräuche zurückgeführt wird der Glaube, ein alter lebender Ziegenbock im Stall (oder zumindest der Kopf oder die Hörner von einem geschlachteten Bock an der Stalltür) solle alle Krankheiten fernhalten. An besonderen Tagen wurde auch das Kraftfutter geweiht und den Tieren unters Heu gemischt, damit sie vor Krankheit und Unglück verschont blieben. Schwere Tierseuchen waren und sind auch heute noch Thema: Früher hatten sie harmlos klingende Namen wie Rausch und Trunk und waren Zauberwerk der Nörggeler. Heute heißen Ziegenkrankheiten CAE und Brucellose und werden mit „Ausmerzprogrammen“ bekämpft. Eine neue Sorge sind Bär und Wolf, die vermehrt auftauchen und für die ohne Aufsicht weidenden Ziegen gefährlich werden können.

Irgendwo zwischen diesen beiden Gegensätzen liegt die Realität.
In der Ausstellung ist dies der Film zwischen den Ausstellungsbereichen „Almidylle“ und „schauderhafte Metzeleien“. Die Aufnahmen zeigen die Gelassenheit der Hirten, die Stille, die unendliche Zeit und Muße, das Miteinander von Mensch und Tier, eine eigene Welt aber auch die tagtägliche Arbeit, den Dreck, den Gestank usw. Im zweiten Teil der Ausstellung wird es konkreter: Die Themen sind die „Psairer Goaß“, die „Goaßer-Kultur“ und „di schiane Goaß“. Seit einigen Jahren ist die "Passeirer Gebirgsziege" eine offizielle Rasse. Aber DIE Psairer Goaß gibt es nicht: Vielfältige Farbkombinationen machen verschiedene Abstammungen sichtbar. Das tut dem Stolz auf die Psairer Goaß keinen Abbruch. Zucht ist nicht nur Tierhaltung, sondern auch ein Stück Ideologie.

Passeier ist Südtirols Hochburg der Ziegen. Jede vierte Ziege lebt hier.
Sie sind der Stolz von über 300 Goaßern, die den Ziegenzuchtvereinen "Passeier" bzw. "Hinterpasseier" angehören. Auch Frauen halten Goaße. In Passeier sind es über 40. Die Frau auf der Spielkarte Schellsieben ist übrigens keine Goaßerin, sondern eine Karikatur auf die „Weiberherrschaft“.

Aber warum gab und gibt es gerade in Passeier so viele Ziegen?
Weil die schwer zugänglichen und kargen Passeirer Felsgegenden ideal für die Ziegenhaltung sind? Weil sich die vorwiegend armen Passeirer auf ihren kleinen Höfen dank Ziegen über Wasser halten konnten? Allein daraus lässt sich die Passeirer Ziegenleidenschaft nicht erklären, denn diese Voraussetzungen wären auch anderswo gegeben. Letztendlich ist die Goaß-Passion nicht reduzierbar auf bestimmte Faktoren und gehorcht keiner Logik.

Zur Frage, warum manche Menschen Tiere lieben und andere nicht, streiten Wissenschaftler*innen schon lange.
Ein Goaßer hat es simpel aber treffend erklärt: Entweder men isch a Goaßnårr oodr men isch kuander! Die Liebe der Goaßer zu den Tieren zeigt sich auch in den Ziegennamen. Viel mehr als Schafe werden Goaße als Individuen gesehen und erhalten traditionelle oder moderne Namen. Auch kennen Goaßer ihre Tiere auseinander, denn Goaßgesicht ist nicht Goaßgesicht! Trotzdem hat das Mårch – das Einzwicken von Kennzeichen in den Ohren Tradition. Mittlerweile sind Plastikplaketten und elektronische Magenkapseln Pflicht.

Es ist eine eigene Kultur – die Goaßerkultur.
Vor allem die Goaßer haben sich vieles von der Hirtenmentalität bewahrt: Die Bekleidung, die Gebärden, die Sprache. Höhepunkte im Goaßer-Jahr sind die Ziegenausstellungen, die wie Misswahlen ablaufen: Bärte biegen, Fell kämmen, Hörner polieren. Wie a schiane Goaß auszusehen hat, ist ein wandelnder Trend, den in Südtirol vor allem die Passeirer setzen.

Fatal für die Zucht ist es, wenn ein schiacher Pock mit einer schianen Goaß verkehrt.
Noch kurioser als es klingt, muss es ausgesehen haben, wenn Ziegenböcke zur Vermeidung solch einer unerwünschten Liasion „Bockhosen“ trugen. Sicherer war da das Ooziëchn (Kastrieren). Trotzdem bleibt die Zucht ein Glückspiel, und deshalb wahrscheinlich interessant. Der Goaßer weiß nie, werden die Kitze einfärbig, stroolit (Stahlenzeichnung am Kopf) oder gånsit (hell-dunkle Mantelfärbung) bzw. bloob (grau-bläulich), roat (rötlich), geel (gelblich), pråntlt (dunkelbraun), griislt (grau-braun), verbrennt (beige), schwarz oder liëcht (weiß). Die verschiedenen "Goaß-Typen", Untergruppen und Farbkombinationen, die die Goaßer-Sprache kennt, sind selbst für Einheimische mit gutem Dialektverständnis verwirrend.

Zur schönen Ziege gehört auch eine Schelle.
Schellen sind Schmuck, Signalinstrument, Besitzkennzeichen, Ehrengabe, Lärminstrument und Souvenir. Sie sind außerdem der Stolz der Goaßer und begehrtes Sammelobjekt. Schellen von alten bekannten Schmieden sind rar. Wenn bisweilen eine Kranzschelle oder Fakklschälle verkauft wird, erzielt sie fantastische Preise von 2.000 Euro oder mehr. Eine Besonderheit sind die alten Schellbögen aus Nussbaumholz mit Blechverzierungen. Heute sind Lederriemen gebräuchlich. Die älteste Passeirer Viehschelle ist übrigens über 1.000 Jahre alt. Archäologen vermuten, dass der Klang der Schellen ursprünglich vor bösen Almgeistern schützen sollte. Passend zu dieser Fülle an Goaßerliebe und Schellen-Sammelleidenschaft zeigt auch der zweite Film zu Beginn die innigen Momente der Goaß-Goaßer-Beziehung und die Miër-sein-Miër-Mentalität der Goaßer, die mitunter auch ins Folkloristische ausschlägt, alles untermalt von den Klängen von „Heidi“ (Wenn du uns Goaßer verstehen willst, schau dir einen Heidi-Film an, hat mir mal ein Goaßer empfohlen!). Und dann wechselt der Film vom „Goaßerstolz“ zu Huernfiich (voilà der Titel der Ausstellung) und zeigt die andere Seite der Goaß.

Anders als die friedfertigen Schafe, die geschlossene Herden bilden, haben die gewitzten Ziegen einen sehr individuellen und widerspenstigen Charakter.
Kein Goaßer, der nicht auf seine Lieblinge schimpft und sie verflucht. Schließlich sind sie immer dort, wo sie nicht sein sollen. Zäunt man die Goaß in ein Grundstück mit schönster Wiese ein, sucht sie nach einem Ausweg, um außerhalb des Zauns zu kommen. Zäunt man das selbe Stück Wiese ein und stellt die Goaß davor, versucht sie alles um innerhalb des Zaunes zu kommen. Verständlich, dass Huernfiich in Passeier so etwas wie ein zweiter Name ist (obwohl das Fluchwort mitunter von den Goaßern nicht so gemeint ist – sie sind ja auch stolz darauf, dass ihre Goaße einen eigenen Grint haben). Viele Ziegen, die den ganzen Sommer ohne Aufsicht auf der Alm verbracht haben und „verwildern“ sind im Herbst relativ schwer einzufangen. Deshalb melden die Passeirer Fundämter im Spätherbst nicht nur verlorene Schlüssel und Ohrringe, sondern informieren über zugelaufene Kitze und vermisste Böcke. So lustig, wie es sich anhört, ist es aber nicht: Vor allem das „Ausheben“ einer Goaß, die sich in einer Felswand verstiegen hat, ist eine immense körperliche und gefährliche Herausforderung für den Goaßer und fordert auch Todesopfer.

Willsche a Ggstriit, når richt der Goaße“, sagte stets mein Opa.
Vielleicht erzählen deshalb so viele Geschichtsquellen von den "Weidenei-Streite" in der Ziegenhochburg Passeier. Ob es wegen der Ziegen auch vermehrt „Ehe-Streite“ in Passeier gibt, lässt sich nicht sagen. Aber so manche Goaßer-Ehefrau wird mitunter über das Hobby ihres Mannes schimpfen. Vor allem wenn der Gatte Feierabend, Wochenende und Urlaub seinen Goaßen widmet und täglich den unverwechselbaren Ziegenduft nach Hause bringt.

Aber Ziegen sind zäh.
Wegen ein paar strafzettelschreibenden Förstern oder nudelholzschwingenden Ehefrauen lassen sie sich nicht unterkriegen. Und dass es Goaße auch weiterhin geben wird, prophezeit ein altes Passeirer Sprichwort:

„Goaße unt Huarn weern sii nit oodrschåffn!“
(Ziegen und Huren wird man nicht abschaffen können)

Sonderausstellung ab 15. Mai 2011
Goaßerstolz & Huarnfiich. Die Passeirer Gebirgsziege

Impressum der Ausstellung
Idee: Harald Haller
Konzept und Texte: Judith Schwarz
Inhaltliche Mitarbeit: Albin Pixner
Grafik: design.buero
Zeichnungen: Albert Mair
Filmschnitt: Stefan Holzknecht

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