Unser Blog
-
Schwerpunkte, denen wir uns ausführlich widmen: Ziegen, Helden, Dialekt, Kunstraub… Und hin und wieder Andreas Hofer. Weiter zur Kategorie themenkonzentriert.
-
Wer ist die Frau auf dem Porträt und was steht in der alten Urkunde? Alles, was uns keine Ruhe lässt. Oder wir für euch finden sollen. Diese Artikel gehören zur Kategorie nachgeforscht.
-
Über neue Objekte, die ins Museum finden und alt sind. Und über alte Objekte, die schon lang im Museum lagern, und neu entdeckt werden. Die gesammelten Artikel der Kategorie aufgesammelt.
-
Was grad im Museum passiert, was die Presse notiert, wer das Museum zitiert. Das sind die Artikel der Kategorie zwischenbemerkt.
Wie viel sind 700 Jahre?
Viel Zeit zum Abschreiben, Zuschreiben, Umschreiben. Vielleicht haben wir deshalb die Hofgeschichten der Schildhöfe gezeichnet.
Wir haben es als Text probiert, wir haben es mit Tabellen versucht, aber ganz ehrlich: Wir sind fast verzweifelt. Der Versuch, 700 Jahre Hofgeschichte für zehn nicht ganz gewöhnliche Höfe aufzuzeigen.
Text: Judith Schwarz. Bildergeschichten: Albert Pinggera
Im Grunde könnte jede einzelne Hofgeschichte ein ganzes Buch füllen. Unsere Aufgabe aber war, die Hofgeschichten von zehn Passeirer Schildhöfen in nur einem Buchkapitel darzustellen. Nun bleibt ein Hof ja nicht 700 Jahre lang derselbe, er bleibt auch nicht an derselben Stelle, er behält nicht ständig denselben Namen und er teilt sich – manchmal sogar mehrmals. Irgendwann begannen wir mit Skizzen und Zeichnungen, die design.buero in Grafiken ausarbeitete. Und allmählich bekamen wir etwas Durchblick.
Wenn die folgenden Illustrationen also linear und simpel daherkommen, dann täuscht das.
Diese Bildergeschichten haben uns unmöglich viele Umwege beschert, die wir uns hätten sparen können. Aber wir glauben, die stark vereinfachten “Comic”-Abfolgen machen sich bezahlt. Weil sie eine Unmenge an Informationen beinhalten, die wir als Text nie so spannend und platzsparend hätten bringen können.
Nichts ist interessanter, als die verstrickten Besitzverhältnisse der Anderen.
Somit gehe ich davon aus, dass sich auch Außenstehende für die Schildhofgeschichten interessieren. Im Folgenden ein paar Beispiele, um zu zeigen, wie man diese Bildergeschichten „lesen“ kann. Gleichzeitig erklärt sich dabei wunderbar die Entwicklung der Schildhöfe im Allgemeinen.
Die klassische Schildhofgeschichte verläuft so:
Wieviel sind 700 Jahre? Viel Zeit, um sich seinen Hof imposant herzurichten.
Einen Turm dazu und man symbolisiert (den Wunsch nach) Macht. Rotbemalte Zinnen wirken mittelalterlich. Eine Stuckdecke erinnert an adelige Zeiten. Saltaus fällt zwar auf, ist aber untypisch für einen Schildhof. Den Tourismus störts nicht. Schildhof verpflichtet.
Wieviel sind 700 Jahre? Viel Zeit, um auszusterben.
Von den Familien der ersten sieben Privilegierten ist das Geschlecht der Steinhauser Rekordhalter: Es überlebt bis um 1450. Mehr Ausdauer haben die Geschichten über Kreidefeuer, Verliese und Geheimtunnel gezeigt. Legenden leben länger!
Wieviel sind 700 Jahre? Viele Möglichkeiten der Veränderung.
Auch Landschaft muss sich verändern. 1317 lagen Puchach und Buchenegg wohl in Talmulden – bis die Kellerlahn kam. Die Höfe wurden neu aufgebaut auf sicheren Hügeln, die längst nicht mehr Hügel sind. Oubrpueche und Hoofner liegen heute – zwischen neuen Lawinenkegeln – wieder in einer Talmulde.
Wieviel sind 700 Jahre? Viel Zeit, um Namen zu ändern.
Zu groß die Eitelkeit neuer Besitzer, den eigenen Namen zum Hofnamen zu machen. Zu eingängig die Erfindungen und Verballhornungen der Umgangssprache. Haupold hingegen zeigt: Der Vorname des Privilegierten von 1317 hat sich 700 Jahre lang als Hofname gehalten. Im folgenden Beispiel allerdings wechselt nicht nur der Hof seinen Namen, sondern auch der Name den Hof.
Mehr Bildergeschichten im Buch:
MuseumPasseier (Hrsg.): Die Schildhöfe in Passeier. verlag.Passeier 2017. 180 Seiten, 17 Euro. ISBN 978-88-89474-242.
Die Schildhöfe: Richtig oder falsch?
Ihr Kennzeichen sind die Türme und Mussolinis Geliebte lebte auf einem. Stimmt das wirklich?
Anlässlich des Jubiläums 700 Jahre Schildhöfe Passeier arbeitete das Museum deren lange und verworrene Geschichte von 1317 bis 2017 in einer Publikation auf. Eine Auswahl an sieben Fragen und Antworten aus dem neuen Buch.
Von MuseumPasseier
Es war einmal die Idee zu einem Fragenbuch über die Schildhöfe in Passeier. Also haben wir die Leute gefragt „Was wollt ihr über die Schildhöfe wissen?“. Und wir haben die Schildhöfler gefragt „Was wisst ihr noch nicht über die Schildhöfler?“. Zusammengekommen sind 136 Fragen, von denen es knapp die Hälfte in die Publikation geschafft haben. Die haben es allerdings in sich, denn sie werden begleitet von Fotografien, Illustrationen oder sogar Bildergeschichten. Einige Fragen sind Richtig-oder-falsch-Fragen. Sieben davon gibt es hier zum Testen:
-
Falsch! Schildlehen und Schildhöfe sind im 14. und 15. Jahrhundert auch in anderen Landstrichen Tirols nachzuweisen: Schiltherrn zu Kunigsperg (Königsberg/Montereale, bei San Michele) bzw. acht oder zehen nachpawrn mit freyen schiltlehen bei der Burg Belasi im Nonsberg. In Kronmetz (Deutschmetz/ Mezzocorona) ist der Suntaghof mehrfach als Schildhof belegt.
-
Richtig! Wir dürfen uns allerdings von unserem modernen Wortverständnis nicht irreleiten lassen. Der Kellner oder Kellerer (lat. caniparius, von canipa = Keller) hatte nichts mit der Gastronomie zu tun. Vielmehr war er der Verwalter des landesfürstlichen Kellers und der dafür bestimmten Naturalabgaben.
-
Falsch, nicht alle hatten eine turmartige Baugestalt. Als mittelalterliche Wohntürme zeigten sich die Höfe am Eingang in das Passeier, nämlich Saltaus, Baumkirch und Lanthaler. Auch für Granstein und Gereut soll ein Turm überliefert sein. Der Rundturm von Steinhaus entstand erst in spätgotischer Zeit, vorher war Steinhaus nie turmförmig gestaltet, genauso wenig wie der Kolberhof und Gomion. Ihr mittelalterlicher Baukern hatte einen einfachen quadratischen oder rechteckigen Grundriss und reichte nur über zwei Geschoße. Somit unterschieden sie sich nicht von der restlichen dörflichen Bauweise. Die Frage kann also ganz klar mit nein beantwortet werden.
-
Falsch! Der Steuerkataster von 1694 führt die Jaufenburg ebensowenig als Schildhof wie der Grundsteuerkataster von 1777/78. Bereits ein im Marienberger Archiv verwahrtes Gutachten von 1598 vermerkt ausdrücklich: das schlosß Jaufenburg wirdet nit fir ain schilthof verlichen, sunder wirdet in lechen prieff genanndt de vessten am antrit des Jauffens, das ist nun merer als ain gemainer schilthoff. Lediglich eine Denkschrift des Passeirer Gerichtsanwalts Hans Kofler von 1723 rechnet Jauffenburg zu den Schildhöfen. Jaufenburg steht letztlich aber für den Schildhof Widersicht, wie sich einem Akt zum Fischereirecht der Schildhöfe von 1756 entnehmen lässt, wo vom Schild-Hof Widersicht oder Schloß Jaufenburg die Rede ist.
-
Dies ist zwar nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Auch scheint die topographische Lage einiger Schildhöfe hierfür wenig geeignet. In Tirol gab es bereits im 15. Jahrhundert Signalfeuer, um den militärischen Zuzug aufzubieten. Der Ausdruck Kreid(en)feuer hierfür taucht erstmals 1487 in Bozen aus. Der Begriff kommt wohl vom Lateinischen quiritare, einen Hilferuf erschallen lassen (vgl. ital. gridare). 1505 waren die Burgfrieder von Schloss Tirol angehalten, bei Kriegsgefahr mit Mannschaft bei den kreidfeurn zu sein. Nach dem Landlibell von 1511 erfolgte die Alarmierung nicht durch Feuersignale, sondern mittels Glockenstreich (gloggenstraich). Die gedruckte Tiroler Kreidfeuerordnung von 1647 kennt keinen Punkt in Passeier, an dem bei „gemeinem Landalarm“ ein Warnfeuer entzündet worden wäre. Diese waren vielmehr auf die am stärksten gefährdeten Einfalllinien konzentriert. Die Punkte, die Passeier räumlich am nächsten lagen, waren Rabland, Schloss Tirol und St. Hippolyt bei Tisens. Das Alarmsystem mittels Kreidfeuern wurde in Tirol mit der Zuzugsordnung von 1714 abgeschafft und durch Meldereiter ersetzt.
-
Richtig! Eine Gruppe von Fachleuten erstellte Anfang der 1940er Jahre im Auftrag der “Arbeitsgemeinschaft der Optanten” (AdO) Grundrisse, Schnitte und Ansichten von „nicht verpflanzbaren“ Bauernhöfen in Südtirol. Unter unvorstellbarem zeitlichem und personellem Arbeitsaufwand wurden vom Lageplan der Höfe bis hin zu aussagekräftigen Details zahllose bauliche Situationen festgehalten. Die Pläne waren gedacht als Basis für die Aufbauarbeit eines geschlossenen Siedlungsgebietes in der neuen Heimat, was sich aufgrund der politischen Ereignisse aber erübrigte. Auch der Bauzustand der Schildhöfe Baumkirch, Steinhaus und Psairer wurden zu diesem Zweck von der AdO dokumentiert.
-
Richtig, allerdings nicht in Passeier! Um 1907 ließ Gräfin Erdödy aus Ungarn in der Haslergasse (heute Naifweg) in Meran/Obermais einen Ansitz erbauen und nannte ihn Schildhof, wahrscheinlich in Anlehnung an die Passeirer Schildhöfe. 1943 erwarb Marcello Petacci die Villa und zog mit seiner Familie ein. Auch seine Schwester Claretta Petacci lebte kurzzeitig auf dem Schildhof, bevor sie - die Geliebte Benito Mussolinis - an den Gardasee übersiedelte und 1945 ermordet und neben der Leiche Mussolinis kopfüber aufgehängt wurde.
Mehr Fragen und Antworten im Buch:
MuseumPasseier (Hrsg.): Die Schildhöfe in Passeier. verlag.Passeier 2017. 180 Seiten, 17 Euro. ISBN 978-88-89474-242.