Uffizi in Passeier

Auch die zwei Altartafeln „Adam“ und „Eva“ von Lukas Cranach überstanden den Krieg in Passeier. Als Reproduktionen kehren sie für die Sonderausstellung UFFIZI IN PASSEIER zurück. Foto: Judith Schwarz für MuseumPasseier

 

Die Sonderausstellung widmet sich einer unglaublichen, aber dennoch fast vergessenen Geschichte, die zu ihrer Zeit die Deutsche Wehrmacht, Mussolinis faschistische Behörden und die US-Army mehr als bewegte. Es geht um Gemälde von unschätzbarem Wert, die während des Zweiten Weltkrieges in St. Leonhard in Passeier gelagert waren.

Von Judith Schwarz

 

Warum und wie kommen die Kunstwerke nach Südtirol? Warum hat man Passeier als Kunstdepot ausgewählt? Welche Meisterwerke waren darunter? Und: War es womöglich ein verschleierter Kunstraub? Ausgehend von diesen ersten Fragen rekonstruiert die Ausstellung die außergewöhnliche Episode, bei der sich Lokalgeschichte und Meisterwerke von Weltruhm verstricken.

Lokale Geschichte verstrickt sich mit wichtigen Ereignissen (und Kunstwerken) der Weltgeschichte: Die Sonderausstellung des MuseumPasseier handelt von einer unglaublichen und dennoch beinahe vergessenen Geschichte.
Foto: Ursula Ringler/ Casa Siviero, Firenze

Zeitgenössische Foto- und Filmaufnahmen versetzen die Besucher*innen ins provisorische Passeirer Kunstlager vor 70 Jahren, die gewölbten Kellerräume des Sandwirts sind hierfür die perfekte Ausstellungskulisse. Sie ähneln den Räumen des alten Gerichtsgebäudes in St. Leonhard, in denen am Ende des zweiten Weltkrieges 293 Gemälde aus den weltberühmten Uffizien und anderen Florentiner Museen rund zehn Monate lagerten.

Neben der Inszenierung des ehemaligen Kunstlagers mit Meisterwerken von Cranch bis Botticelli – drei Gemälde sind in Originalgröße reproduziert – bilden plakative grafische Elemente weitere optische Hingucker in der 150m2 großen Ausstellung.

Im Zentrum stehen jedoch die verschiedenen Perspektiven, die in drei Ausstellungsräumen mit den darin dargestellten Akteuren wechseln: Die Behörden im faschistischen Italien fordern ihre abhanden gekommenen Schätze zurück, die deutsche Militärverwaltung verteidigt ihren Kunsttransport als Rettungsaktion, die US-Army unterstreicht ihre professionelle Arbeit bei der erfolgreichen Rückführung der Meisterwerke nach Florenz.

Die Ausstellung nutzt drei Räume für drei verschiedene Perspektiven: In einem steht das frisch verheiratete Ehepaar Josef und Ursula Ringler im Zentrum. Er beaufsichtigt die Kunstwerke als Denkmalschutzbeauftragter, sie ist für die Fotodokumentation zuständig. Bildnachweis: Christof Ringler, Wien

Der amerikanische Kunstschutzoffizier Deane Keller (li.) mit seinem Chauffeur und Fotograf Charles Bernholz an einer Kehre zum Jaufenpass. Foto: Frederick Hartt. Fotonachweis: Eric Bernholz, New York

Anhand von Auszügen aus Akten, Briefen und Tagebüchern nähern sich die Ausstellungsmacher*innen den damals beteiligten Personen an – inszenierte Schreibtische mit offizieller und privater Korrespondenz legen Augenmerk auf die zu bewältigenden Schwierigkeiten, die besonderen Erlebnisse und die unvorstellbare Verantwortung im Umgang mit den Kunstwerken von Weltruhm.

UFFIZI IN PASSEIER handelt von einem provisorischen Kunstdepot in St. Leonhard, in dem vor über 70 Jahren Meisterwerke im Wert von etlichen Millionen gelagert waren. In vielen zeitgenössischen Dokumenten klingt die eine große Sorge durch: Werden die Kunstwerke erhalten bleiben? Fotonachweis: National Archives, Washington

So werden in der dreisprachig gehaltenen Ausstellung dank dieser Rahmengeschichten auch andere Fragen in den Mittelpunkt gerückt: Was bedeutet Krieg für Kunstwerke? Wer kümmert sich in Kriegszeiten um Kunst? Wem gehört Weltkulturerbe?

„Kinder und Greise und einmal sogar eine Kuhherde schauten zu, wie da die höchste Kunst enthüllt wurde!“, so berichtet eine Zeitzeugin über die Ankunft der Florentiner Meisterwerke vor dem alten Gerichtsgebäude (heute Forststation) in St. Leonhard in Passeier. Foto: Ursula Ringler. Fotonachweis: British School at Rome

Chronologie der Ereignisse

07/43
Die Alliierten landen auf Sizilien. Italien befürchtet einen Luftkrieg und leert seine Museen.
Die Kunstschätze von Florenz werden in Kirchen, Schlössern und Villen der Umgebung gebunkert.

06/44
Die Front steht südlich von Florenz.
Die faschistische Regierung will die Kunstwerke nach Norden verlagern, aber das Risiko ist ihr zu groß.

07/44
Der Krieg erreicht Florenz.
Auf Sonderbefehl der Wehrmacht räumt der Deutsche Kunstschutz die Depots. Und fährt gen Norden.

08/44
Die Alliierten besetzen die Stadt.
Die Kunstwerke erreichen Südtirol und werden in St. Leonhard in Passeier und Sand in Taufers untergebracht.

02/45
Das Kriegsende nähert sich. Der General der deutschen Wehrmacht in Italien verhandelt mit den Alliierten über einen Separatfrieden.
Italienische Partisanen helfen dem US-Geheimdienst bei der Suche nach den Kunstdepots.

05/45
Die deutsche Wehrmacht in Italien kapituliert. Amerikanische Truppen übernehmen die Verwaltung in Südtirol.
Der DEUTSCHE MILITÄRISCHE KUNSTSCHUTZ übergibt die Kunstwerke den Alliierten.

07/45
Die US-Army bringt die Kunstwerke mit dem Zug nach Florenz zurück.

Die Ausstellung “Uffizi in Passeier. Wer schützt Kunst im Krieg?” wird am Samstag, den 22.9.2018 eröffnet und ist zu den Öffnungszeiten des MuseumPasseier zugänglich.

Sonderausstellung
Uffizi in Passeier. Wer schützt Kunst im Krieg?
22. September 2018 – 31. Oktober 2019

Planungsteam  
Judith Schwarz (MuseumPasseier): Ausstellungskonzept, Texte
Albert Pinggera (design.buero): Ausstellungskonzept, Design

Finanzierung
Abteilung Museen der Provinz Bozen
Gemeinden von Passeier

Wir danken
Für die Bereitstellung der Kellerräume: Tiroler Matrikelstiftung, Innsbruck
Für Fotografien und Informationen: Artothek, Weilheim / Bernholz Eric, New York / British School at Rome / Botticini Nando, Meran / Casa Rodolfo Siviero, Firenze / Centro di Ateneo per la Storia della Resistenza, Padova / Consolati Stefano, Bozen / Franchi Elena, Trento / Institut für Zeitgeschichte München - Berlin / Keller William, West Newbury, Massachusetts / Manuscripts and Archives Yale University Library / Monument Men Foundation, Dallas Texas / National Archives, Washington / National Gallery of Art, Washington / Pichler Bruno, St. Leonhard / Ringler Christof, Wien / Ringler Jakob, Innsbruck / Schwazer Heinrich, Bozen / von Lingen Kerstin, Heidelberg
Für Leihgaben: Righi Karl, St. Leonhard / Schreibmaschinenmuseum Peter Mitterhofer, Partschins

 
 
Zurück
Zurück

Wer schützt Kunst im Krieg?

Weiter
Weiter

Warum sammeln wir, was wir sammeln?